Skip to main content

Spanier in der weiten Welt - Einwanderer auf vier Pfoten

Die spanische Journalistin Lucia Arana lebt in Hamburg und schreibt für die Zeitung Eldiario in einem Internet Blog, der auf Tierrechte spezialisiert ist. Dieser Blog ist mit nur einem Jahr noch recht jung, aber durchaus erfolgreich und wurde sogar schon mit einem Preis vom spanischen Kongress geehrt.
Für die GALGO-HILFE e.V. mit der © deutschen Übersetzung von Denise Kotzian, mit freundlicher Genehmigung von Lucia Arana.

Spanier in der weiten Welt - Einwanderer auf vier Pfoten

alt


Carinha lebte ihre letzten Jahre glücklich in Berlin zusammen mit ihrer menschlichen Gefährtin ©Sabine Gruhn

Seitdem ich in Hamburg lebe, fallen sie mir oft auf. Sie spazieren in den Wäldern, baden im Fluss, besuchen Restaurants, fahren mit der Bahn und machen Einkäufe. Manche begrüßen dich, andere machen einen Umweg um den Kontakt zu vermeiden. Alle sind verschieden, aber alle haben etwas besonderes, was sie unverwechselbar macht. Sie teilen eine Vergangenheit der Bedürftigkeit und Armut und eine hoffnungsvolle Zukunft. Außerdem haben sie einige stolze menschliche Gefährten, welche dir ihre hoffnungsvolle Geschichte und ihre Neuanfänge erzählen. Es sind die (vierbeinigen) Spanier in der Welt...

 

 

Sie hießen Rápido, Sancho, Felicidad, Rayo, Gitano, Dorada oder Careto. Niemand weiß genau wie viele es sind, es gibt keine Statistiken die sich mit diesem Thema befassen. Jessica Eckelkamp von der deutschen Organisation Galgo-Hilfe, hat auch keine genauen Zahlen. "Ich schätze tausende jährlich und davon vielleicht 10-20% aus Spanien. Ich denke, dass auch sehr viele Hunde aus Griechenland, Rumänien, Italien und den weiteren osteuropäischen Ländern kommen.

Tinka ist ungefähr drei Jahre alt, lebt in einem Wohnviertel in einem Hamburger Vorort, und sie führt ein ziemlich ideales Hundeleben. Jeder ihrer Tage beginnt immer mit einem langen Spaziergang voller Eindrücke zusammen mit ihrer Gefährtin Heike. Für ihre Menschenfamilie ist klar, dass es keine Pläne gibt ohne Tinka mit einzubeziehen. Tinka gehört mit zum Immobilienbüro ihrer Familie, sie begleitet sie ins Restaurant, zu allen Treffen mit Freunden und fährt selbstverständlich mit in den Urlaub. „Ich habe nun einen Engel an meiner Seite“, sagt Heike, wenn man sie nach Tinka fragt. Man weiß wenig über ihr Vorleben. Eines Tages fand man sie alleine streunend in einem Dorf im Süden Spaniens. Vielleicht wurde sie ausgesetzt oder man hat sie verloren, sie trug keinen Chip, und niemand hatte sich ihrer angenommen. Das Mitgefühl und die Großzügigkeit fand Tinka in Deutschland, einem Land, in dem die Zahl der ausgesetzten Tiere gering ist. „Sicher werden auch hier manchmal Tiere ausgesetzt“, sagt Jessica, "Zum einen ist es einfach bei uns so, dass man im Fall der Fälle seinen Hund ins Tierheim bringt oder selbst versucht ein neues Zuhause zu finden. Zum anderen sind die Gesetze in Bezug auf das Chippen und Anmelden der Hunde bei der Steuer und den Ämtern recht streng. Die Hunde sind also zum großen Teil erfasst und man könnte den ausgesetzten Hund meistens zu seinem Besitzer zurückverfolgen.". Aber ein Chip-Zwang ist nicht ausreichend in einer Kultur wie der spanischen, wenn sich danach, wie in diesem Jahr, die Anzahl der Hunde erhöht, die mit einer offenen und infizierten Wunde an der Kehle auftauchen, an der Stelle, wo der Mikrochip sein sollte.

alt


Tinka und Heike am Strand von Rio Elba ©Lucía Arana

"Die Arbeit der freiwilligen Helferinnen und Helfer hinter jeder Rettungsaktion ist heikel, kompliziert und nicht ohne Frustration. Einerseits haben sie niemals genügend Mittel, um alle zu retten, andererseits verschleiern die mangelnden Erfahrungen von einigen „Tierheimen“ die enorme Aufgabe von allem, ein kollektiv dass sich mit Herausforderungen von erschütternden Dimensionen auseinander setzt. In Spanien wird alle drei Minuten ein Tier ausgesetzt. Das sind über 150.000 schreckliche Schicksale jedes Jahr. Wir sind Anführer im Tierleiden und in der Verwaltungsnachlässigkeit. Die Galgo-Hilfe hat ihren Sitz in Düsseldorf und rettet die Tiere der ,,Perrera" in San Antón, in Villamartín, Cádiz. Während des Jahres 2014 fand die Organisation neue Familien für 153 Hunde, 60 davon waren Galgos, 32 Bodegueros und der Rest alle Rassen und Größen, vom Yorkshire bis zum Schäferhund. Mitunter kommt die Kritik aus den eigenen Reihen: "In Deutschland müssen wir uns oft für unsere Arbeit rechtfertigen und zumeist wird uns vorgehalten, dass es doch schon genug Hunde in deutschen Tierheimen gibt. Allerdings wird in deutschen Tierheimen nicht eingeschläfert und wir holen Hunde, die es dort nicht gibt und die in Deutschland leicht ein gutes Zuhause finden." "Wir wollen nicht wahllos Hunde "retten", nach Deutschland holen und hier an irgendjemanden loswerden. Wenn wir einem Hund die Strapaze auferlegen, nach Deutschland zu reisen und sich hier einzuleben, dann nur, wenn es wirklich ein gutes Zuhause ist, sonst bekommen die Leute keinen Hund von uns.", sagt Jessica. Aber nicht alle Organisationen sind Freunde der Versendung von Tieren ins Ausland. Die Barriere der Entfernung und der Sprache erschweren die Kontrolle der Ansprechpartner und die Nachkontrolle einer Adoptionsstelle. Die Möglichkeit einzugreifen wenn etwas schief läuft ist so gut wie nichtig, wenn es keine Zusammenarbeit von Leuten, die sich kennen und vertrauen, gibt. Mari Carmen von der Organisation Las Nieves, die seit 15 Jahren Tiere rettet und mit Tierschutzorganisationen anderer Länder zusammenarbeitet, hat diesbezüglich eine klare Meinung: : „Am Ende, nach langer Zeit, arbeiten wir nur mit einer Organisation in Belgien und einer anderen in Deutschland zusammen, hauptsächlich wegen der Tatsache, dass sie lebenslang die Tiere begleiten, die sie zur Adoption gegeben haben“.

Mari Carmen fordert ein Maximum an Vorsicht, wenn es um die Zukunft dieser Hunde geht: „Sowohl in Deutschland als auch in Österreich, der Schweiz und in Belgien, auch in Spanien, gibt es Leute, die von den Tieren profitieren. Die Gelder, die ausländische Tierschutzorganisationen an spanische Organisationen spenden, dienen nicht immer dem Wohl der Tiere und die Tiere, die ausreisen, kommen nicht immer in einem guten Leben an“. Jessica ist auf der Seite der Kritiker, auch da, wo es um die Gerüchte geht, dass Tiere in den Händen von der Tiermafia oder als Opfer von Experimenten enden könnten. "Natürlich gibt es überall schwarze Schafe, aber das ist definitiv ein Gerücht welches bewusst von Tierschutzgegnern publik gemacht wird – und auch völlig kraftlos wenn die Basis einer vertrauensvollen Zusammenarbeit der Tierschützer in Deutschland und Spanien passt. Des weiteren fallen in Deutschland Tierexperimente unter die sehr strengen Kontrollen des Tierschutzgesetzes und daher züchten die Firmen ihre neuen Testhunde ausschließlich selbst nach. Bei uns gibt es daher die "Labor-Beagle", die nach ihrer Zeit für Tierversuche ein Zuhause suchen und keinerlei Sozialisation haben."

So werden wir gesehen

Die Tierschutzorganisation von Jessica rettet Tiere in ländlichen Gegenden im Süden Spaniens. "Es mag in anderen Teilen Spaniens inzwischen anders sein, aber in Andalusien gibt es wenig Tierschutz. Der Umgang mit Tieren ist sachlich, wenig emotional und der Hund ist Mittel zum Zweck. Solange der Hund diesen Zweck erfüllt (jagen, bewachen, rennen) wird er behalten und zumindest einigermaßen gefüttert. Sobald der Zweck nicht mehr da ist, wird er ausgesetzt, erschlagen, nicht mehr gefüttert und verhungert oder in der Perrera abgegeben." "Tierschutz" ist in der andalusischen Mentalität wenig verankert und die Menschen dort sind auch nicht offen Neues zu lernen. Das Wissen geht vom Vater auf den Sohn weiter und viele Grausamkeiten passieren aus Unwissen oder Gleichgültigkeit." "Ein weiteres Problem ist die große Armut." Fälle wie die des Besitzers des Bodeguero Gitano, der eines Tages nach San Antón kam, um seinen Hund abzugeben. Er hatte seine Arbeit verloren, musste seine Wohnung verlassen und wusste nicht, wohin er gehen sollte. Sein Hund war alles für ihn. Er wollte nicht, dass der Hund auf der Straße leben musste, deshalb gab er ihn in der Perrera ab, weil er gehört hatte, dass sein bester Freund ein gutes Zuhause im Ausland finden könnte. Gitano, der heute Nero heißt, wurde nun glücklicherweise in Deutschland adoptiert.

"Auch wenn es inzwischen einzelne Tierschützer gibt, sind das oft Frauen und die haben es in Andalusien sicher noch schwerer, Gehör zu finden. Und Frauen sind selten Galgueros oder Jäger und daher hält sich dort der traditionelle Umgang sehr hartnäckig.  In Andalusien herrscht eine starke Machokultur und dort ist es fast unmöglich, dass sie einen kastrierten Rüden haben." Mit einem Problem in diesem Ausmaß wäre die Kastration ein effektives Mittel, um den Hundeüberschuss zu reduzieren. "Ich persönlich sehe auch den Stierkampf als Indiz - eben die Freude an dem Kampf und dem Töten eines Tieres und der noch immer Teil der andalusischen Identität ist und das zu einem eher rohen Umgang mit Tieren führt."  Mari Carmen von Las Nieves, die Kontakt zu Verwaltung, den Mitgliedern und den Adoptanten im Ausland hält, sieht sich einem gewissen Unverständnis gegenüber. „Häufig sagt man mir, dass man nicht versteht, dass die Situation der Tiere nach so vielen Jahren, in denen man uns unterstützt hat, sich nicht nur nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert hat“.

Ein neues Leben

Alle diese Tiere teilen eine schreckliche Vergangenheit und jetzt sind sie an der Reihe, zu leben zu lernen. Die erste Ankunft in Deutschland ist in einer Pension oder einer Pflegefamilie, die die wichtige und manchmal langandauernde Arbeit der Rehabilitation leisten. In dieser Zeit stellt sich heraus, ob ein Tier z.B. Katzenverträglich ist, oder welcher Familientyp ideal für es ist. "Als Pflegestelle erlebt man das kleine Glück, wenn der neuangekommene Hund, beginnt etwas Lebensfreude zu haben, sich traut mal zu rennen oder sogar zu spielen oder so nach und nach merkt wie schön es ist auf einer weichen Decke zu liegen. Aber auch wie traurig es einem macht, wenn der Hund sich neben die weiche Decke auf den kalten Boden legt, weil er nicht weiß, wie angenehm so eine Decke ist."

Was die Menschen, die an der Rettung und Genesung dieser Tiere teilhaben, vielleicht am meisten berührt, ist die Fähigkeit der Tiere, über alles hinwegzukommen und das Leben zu genießen"Dieser unglaubliche Wille zu Leben, dieser unglaubliche Optimismus, der unerschütterlichen Liebe zum Menschen", sagt Ursula Löckenhoff, die Vorsitzende der Galgo-Hilfe, wenn sie von Morpheus spricht, einem Galgo, der 2009 schwerverletzt gefunden wurde, und der heute, nach Jahren schmerzvoller Operationen ein Beispiel für Verbesserung ist. "Charismatisch sucht er Kontakt zu Menschen und Hunden. Er spielt gerne und ist ausgesprochen klug. Er hat gelernt, dass sein Lächeln ihm Wege ebnet und er hat es perfektioniert!"

alt


Morpheus als er in Deutschland ankam und heute ©Galgo-Hilfe

Dass die Tiere ins Ausland gerettet werden müssen ist ein untrügliches Zeichen dafür, wie zerrüttet die Lage in Spanien heute ist, nicht nur für die Tiere. „Die Lösung des Tierschutz-Problems in unserem Land, das auch ein Problem der Menschen ist, muss im Ursprungsland stattfinden, und nicht in der massiven Einwanderung in andere Länder“, meint Mari Carmen. „Ich sehe die Hoffnung nicht im Ausland, außer was den Druck auf die spanische Regierung über die europäischen Mechanismen angeht“. Für Jessica ist eine grundlegende Mentalitätsveränderung, die den Respekt gegenüber Tieren von Kindheit an lehrt und anregt, das was Spanien braucht. "Kampagnen einen Second-hand Hund zu adoptieren. Kampagnen für den Sinn von Kastrationen, um zu verhindern, dass immer mehr Hunde ohne Zukunft geboren werden". "Mitstreiter in der verflochtenen Welt der Jäger und Galgueros zu finden. In diesen Kreisen sind auch viele Polizisten und Politiker organisiert, die alle kein Interesse haben, sich in ihrem Hobby durch den Tierschutz einschränken zu lassen. Die Jugend wird von der Regierung nicht im Tierschutz gebildet, sondern in der Jagd und genau dies sollte anders herum sein." Es ist offensichtlich, dass die Hoffnung eines entwickelten Landes nicht von der Solidarität seiner Nachbarn abhängen darf. Aber sagt das mal Tinka, Morpheus und Nero und all denen, die nach so viel Leid heute Abend ein gutes Essen haben können, ein warmes Bett und die Liebe einer Familie genießen dürfen.

Quelle und Original Text: eldiario.es

GALGO-HILFE e.V.